Unser Mandant hatte bereits für eine Serie von Brandlegungen die er als Jugendlicher begangen hatte mehrere Jahre in der Jugendpsychiatrie verbracht. Im Juni 2018 wurde er entlassen. Im November kam es zu erneuten Bränden in und um seinen Wohnblock herum: Innerhalb von wenigen Tagen brannte es u.a. im Keller, im Aufzug und im Flur sowie an einem vor dem Haus geparkten Anhänger. Zwar hatte niemand die Brandlegungen direkt beobachtet. Dennoch war für die Polizei schnell klar: Nur unser Mandant kann und muss der Täter sein. Tatsächlich gab es einige Indizien, z.B. im Kinderzimmer aufgefundenen Grillanzünder oder Fotos von den Brandorten auf dem Handy des Mandanten. Es folgten mehrere – mehr oder weniger professionelle, offizielle und inoffizielle – „Befragungen“ durch die Polizei. Schliesslich wurde unser Mandant vorläufig festgenommen. Nach einer schlaflosen Nacht und völliger Ungewissheit in der Polizeizelle, suchte ihn dort am kommenden Morgen ein geradezu väterlich-freundlicher Polizeibeamter auf. Unser Mandant war nun erleichtert ein vertrautes Gesicht zu sehen, kannte er den Beamten nämlich noch als seinerzeitigen Ermittlungsführer aus dem alten, einige Jahre zurückliegenden, Verfahren. Besagter Polizist, der naturgemäss wusste, dass unser Mandant psychisch krank war, insb. an einer schwerwiegenden und behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsstörung litt und mit den Nerven völlig fertig war, führte ihn nun aus der Zelle zum Vernehmungsraum. Einen Anwalt hatte unser Mandant zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auf dem Weg bot der Beamte ihm an noch gemeinsam auf dem Innenhof eine zu rauchen. Zwar immer noch verängstigt beruhigte er sich nach der zweite Zigarette etwas – auch weil der Beamte in vertrauensvollem Tonfall meinte, es werde „schon alles nicht so schlimm werden“. Inmitten diesen Smalltalks – natürlich ohne den vorher Mandanten über sein Recht zur Aussageverweigerung oder auf einen Verteidiger zu belehren – fragt der Polizist ihn dann plötzlich: „Und, warst Du´s?“.
Das zögerliche „Ja“, das er unserem Mandanten damit entlockte sollte entscheidend für den späteren Prozessverlauf werden:
Schnell wurde im Verhörsraum das Geständnis zu Papier gebracht und durch ein paar Nachfragen mit vermeintlichem „Täterwissen“ zementiert. Schnell beschloss der Ermittlungsrichter die Fortdauer der Unterbringung und schnell erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Etwas weniger schnell – nämlich ein gutes halbes Jahr später – dann die Verhandlung vor dem Landgericht Berlin: Mandant hatte zwischenzeitlich sein Geständnis widerrufen, ein psychiatrischer Sachverständiger immerhin verminderte Schuldfähigkeit attestiert.
Ich bezeichnete im Prozess das Vorgehen des „väterlichen“ Polizeibeamten als „astreine Stasi-Methode“. Auch das Gericht befand immerhin dass derartiges gar nicht geht. Dennoch hielt es das Geständnis für verwertbar, da der Mandant zumindest bei der Hausdurchsuchung einen Tag zuvor – formell ordnungsgemäss – über seine Rechte belehrt worden war. Dass ihm dies in der „Rauchpause“ möglicherweise nicht mehr so ganz bewusst war und er vielleicht glaubte, dass vertrauliche Äusserungen ausserhalb einer förmlichen Vernehmung nicht verwertbar seien, ist rechtlich ohne Bedeutung. Und so stützte das Gericht die Verurteilung massgeblich auf das Geständnis: Ausdrücklich befand es, dass die Indizien alleine – und vor allem natürlich der Umstand, dass unser Mandant wegen ähnlicher Brandstiftungen vorbestraft war – nicht für eine Verurteilung ausgereicht hätten. Dennoch: Mit 1 Jahr Freiheitsstrafe bei Unterbringung in der Psychiatrie verhängte das Gericht eine doch äusserst milde Ahndung.
Der Fall verdeutlicht zweierlei: Nämlich dass viele Verurteilungen ohne eine Äusserung des Angeklagten gar nicht möglich wären und Schweigen im Fall einer Anschuldigung die beste Chance für eine Verfahrenseinstellung oder einen Freispruch bietet. Der Fall zeigt aber auch, dass es sich durchaus lohnen kann, auch in „verfahrenen“ Prozesssituationen und quasi mit dem Rücken zur Wand für einen Freispruch zu kämpfen und Missstände zu thematisieren: Es wird zwar niemand offen aussprechen – aber häufig „kompensieren“ die Gerichte so etwas dann durch eine vergleichsweise milde Strafe. Oder wie ein Oberstaatsanwalt einmal sagte: „Die Justiz ist dort am erbarmungslosesten wo man ihr den geringsten Widerstand entgegensetzt“.
(Landgericht Berlin, Urteil v. 28.08.19 – (527 Kls) 276 Js 2411/18 (10/19))